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November/Dezember
09
Michael
Bause – Istanbuler Blätter
Michael Bause zeigt vor 16 Jahren in Istanbul hergestellte Arbeiten, aus
den selben dort gefundenen Materialien jetzt fertiggestellte Blätter
und eine neue fürs Pluto angefertigte Arbeit.
Eröffnung, Freitag, den 27. 11. 2009, 20 Uhr
28. 11. bis 17. 12. 2009
Donnerstag 16-20 Uhr
und nach Vereinbarung: info@pluto-berlin.de(…)
Es waren Filmfestspiele in Istanbul und in den Bilderfluten nahm kaum
einer Notiz von den aus dem Himmel segelnden Blättern. Nonchalant
landeten sie in der Gosse. Wahrscheinlich hätten sie für den,
der sie hätte lesen können, keinen Sinn oder Eindruck gemacht.
Formulare einer kafkaesken Bürokratie, Akten von Vorgängen,
sicherlich keine Liebesbriefe. Die Nase am Boden und in der Luft, den
Nischen des Windes auf der Spur, in welchen unvorhergesehene Blätter
beherbergt werden könnten, suchte Michael Bause nach Papieren. Er
witterte im Zwischenbereich von Geschichte, Imagination, Klischee und
Altwarenläden herum. Er gerät in Basare und Antiquariate, in
Druckereien und Reinigungen, er trifft komische Leute, deren Sprache er
nicht versteht und freut sich daran, dass sie ihn für einen unterhaltsamen
Handel akzeptieren. Er findet das Abgelegte, das niemanden ausser ihn
zu interessieren scheint und dennoch plötzlich seinen Preis hat.
Er feilscht um Schnittmusterbögen aus zweiter Hand für Images,
die keine Existenz vor ihrer Imitation hatten. Er sammelt Einwickelpapiere,
die so billig sind, dass er sie sich schenken lassen muss. Im Trödel
des funktionalen Alltags findet er unbesetzte Löcher im System, Durchblicke
in ästhetische Märchen und Mythologien, uns auf dem Russenmarkt
nebenan sogar die klobigen Vergrößerungslupen dazu. Die halbierten
tropfen aus Glas um reißen neue Ausschnitte auf die Schichtungen
der Geschichte. Im Nahblick verschwimmen die Oberflächen, die Ornamente
überlagern sich und ordnen sich neu zu befremdlichen Mustern. Negativ-
und Positivbild vertauschen ihre Plätze, mit der Transparenz wird
die Verschleierung der Sicht erfahrbar. Erinnerungsfetzen glühen
in verwaschenen Konturen von Kinderbuchillustrationen und Architekturskizzen
auf – und vergilben wie der Dunst der Nargileraucher.
(…)
Michael Bause jedoch bündelt die Tragik, die dem objet trouvé
per se innewohnt, ins Kleinformat. Seine präzisen und diskreten Collagen
kaschieren nicht die Trivialität der Papierspuren. Sie erscheinen
nur, in aller Bescheidenheit, in einem poetischen Kontext eigener Signatur.
Er bügelt Thermopapieren surrealistische Brandflecken auf unmd zersetzt
die Statik von Folien. Er kombiniert Relikte aus den Bilderschätzen
osmanischer Zeit mit dem Trash der Gegenwart, ohne zu werten. Es geht
und das Sehen, um das Wahrnehmen und dessen Fiktion. Der Gast auf Zeit
zeigt in seinen Montagen des Vorgefundenen auch seine Position des außen
stehenden Betrachters. Dieser Ort des Zaungastes, zwischen Innen und Außen,
Vertrautheit und Fremde, zeichnet nun jedoch die klassische Position des
Künstlers aus. In den Istanbuler Blättern verdichtet sich Distanz
und Nähe zu nicht mehr und nicht weniger als zu Bildern. Und diese
verheimlichen nicht, dass sie trügerisch und ephemer sind.
Sabine Vogel
Pluto,
ortsbezogene Kunst
Markus Binner
Koloniestr. 120, 13359 Berlin
info@pluto-berlin.de
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